Martenstein über eine Reise im Billigflieger – Die Expansion von RyanAir

Der Zeit-Kolumnist Harald Martenstein beschreibt diese Woche sehr lebendig den Komfort eines Billigfluges. Bei der Zeit leider hinter einem Paywall, aber beim Autor auf Facebook zu finden:

Harald Martenstein: Über eine Reise im Billigflieger

Ich zitiere ein paar der schönsten Absätze:

Jetzt bin ich zum ersten Mal mit Ryanair geflogen (..) Wir wurden von Uniformierten auf das Flugfeld geführt, dort standen wir eine ganze Weile im Regen, der sehr kalt war. (..) Manche Leute hatten reservierte Plätze, andere nicht. Die anderen setzten sich irgendwohin, bis diejenigen kamen, die genau diesen Sitz reserviert hatten, dann standen die anderen wieder auf und suchten verzweifelt einen neuen Sitz (..). Im Flugzeug war es sehr heiß, wie früher in sowjetischen Hotelzimmern, und weil wir alle nass waren, entstand Saunaklima.

Ich wusste, dass die Sitze bei Ryanair eng sind. Aber mir war nicht klar, dass sie aus Sparsamkeit das kleine Netz an der Sitzlehne weggelassen haben, wo man Dinge und Abfall hineintun kann. (..) Interessanterweise gibt es auch keine Spucktüten. Wenn ein Ryanair-Flug in Turbulenzen gerät und den Leuten wird schlecht, muss das ein unvergessliches Erlebnis sein.

Aus den Lautsprechern kam das Kommando: „Taka Tuka, Narodniki! Dawai!“ (..) Gut zu verstehen war nur das Wort „Rubbellose“. (..) In der (Bord)zeitschrift waren Fotos des Speisenangebots. Die Lasagne sah aus wie der Kopf von einem dieser Zombies aus meiner Lieblingsserie The Walking Dead. Die Stewardessen waren nicht direkt unfreundlich, aber stark geschminkt und wirkten, als hätten sie seit Wochen nicht geschlafen. Womöglich war es so. Ich habe einen Steward nach der Uhrzeit gefragt, und er antwortete erschöpft: „Rubbellose gibt es bei meiner Kollegin.“

Vor ein paar Monaten gab es einen Bericht, ein Ryanair-Flug sei in München mit den Worten „Mayday! Mayday!“ gelandet, weil sich die Piloten nicht sicher waren in ihrer Übermüdung die Landung unter Kontrolle zu halten.

Überhaupt, jeder weiss, dass Ryanair-Piloten als Subunternehmer ohne Sozialversicherung für Hungerlöhne ausgebeutet werden. Interessiert den Kunden natürlich ungefähr soviel wie die verbrannten Sklavenarbeiter in Bangladesh wenn man Primark-T-Shirts für 3 Euro haben kann.

Ryanair expandiert derzeit in Europa. Wollen wir wetten, ob das ein Erfolg wird? Sicher wird es. Na klar, wenn man was billig haben kann interessieren Ausbeutung und Klimazerstörung keine Sau.

Ich fahr weiter Nachtzug. Da kann ich schlafen, das ist mir lieber wie wenn die Piloten schlafen. Und ausserdem fast CO2-frei.