Nachtzug-Konzept: Skandinavien wieder mit Westeuropa verbinden.

Seit die Deutsche Bahn 2014 den CNL Basel-Kopenhagen eingestellt hat, ist Skandinavien weitgehend vom europäischen Zugverkehr abgekoppelt. Schwedische Nachtzüge fahren von Norden bis Malmö auf der schwedischen Seite der Öresundbrücke (nichteinmal die verbleibenden 20 Kilometer über die Brücke ins viel größere Kopenhagen werden abgedeckt), ÖBB-Nachtzüge fahren von Süden bis Hamburg. Zwischen Hamburg und Schweden klafft eine Lücke, die sich nur mit langsamen Zügen und mindestens einem Umstieg überbrücken lässt: die ca. 450km benötigen über 5 Stunden. (Ausnahme: der saisonal im Sommer betriebene Berlin-Malmö-Express ist als Nachtzug unterwegs.) In Kopenhagen wird der Flughafen ausgebaut, der Betrieb boomt, an Reisenden mangelt es nicht. In 10 Jahren kommt eine Schnellfahrstrecke von Hamburg nach Kopenhagen. Aber im Moment ist die Verbindung miserabel. Eine einfache Lösung die ohne kostspielige Neubaustrecken eine komfortable Verbindung schaffen würde, wären Nachtzüge. Die Organisation „Back on Track“ hat ein Nachtzugkonzept vorgestellt, das mit niedrigen Investitionen eine Vielzahl komfortabler Verbindungen nach Kopenhagen und Stockholm schaffen würde (ich persönlich fände es toll, wenn auch noch ein Nachtzug Oslo-Kopenhagen-Hamburg möglich wäre). Für mehr Infos, einfach auf die Streckenkarte klicken:

Skandinavisches Nachtzugkonzept
Streckenplan eines neuen Nachtzugkonzepts zur Anbindung von Skandinavien

 

Während ich diesen Beitrag schreibe, sitze ich im Italo von Rom nach Mailand. Fahrtzeit für die ca. 600km: knapp unter drei Stunden. Ticketpreis: 33 Euro in der ersten Klasse. Und diese Verbindung gibt es schon seit vielen Jahren, mit 4 oder mehr Abfahrten pro Stunde (Frecciarossa-Züge der Trenitalia und die Konkurrenz, die Italo-Züge). Und Wifi gibt es natürlich auch schon lange. Kein Wunder fliegt praktisch niemand mehr von Rom nach Mailand. [Übrigens, nach Rom gekommen bin ich wunderbar komfortabel mit dem ÖBB Nightjet, und von Mailand zurück nach Wien geht es auch mit dem ÖBB Nightjet und bei Ankunft direkt zur Arbeit.]

Vor ein paar Monaten wurde in Deutschland die neue Schnellfahrstrecke München-Berlin eröffnet. Ungefähr die gleiche Streckenlänge, übliche Fahrzeit ca. 4h 30min, mit zwei Sprinter-ICEs am Tag, die ca. 4h benötigen. Tickets? Teuer. Und die Bundesregierung ist wahnsinning stolz, dabei ist man anderswo problemlos über eine Stunde schneller. Am Ende zeigt das Projekt nur eines: das wir in Deutschland, die Verkehrsinfrastruktur betreffend, nichts zum Stolzsein haben. Im internationalen Vergleich vernachlässigt Deutschland das Bahn-Netz; sogar das von der Krise massiv betroffene Italien investiert mehr. Wenn schon keine Nachtzüge mehr in Deutschland, dann doch bitte wenigstens echte Schnellfahrstrecken, und zwar zwischen allen größeren Städten!

Aber stattdessen lässt sich der Staat der Autobahnraser seit Jahren von den Automobilkonzernen verarschen und ausnehmen. Die Diskussion über Tempolimits in Deutschland wird ähnlich geführt, wie die Diskussion über Waffenbesitz in den USA: völlig an den Bedürfnissen der Bürger vorbei, lobby-gesteuert, ohne einen Gedanken an die Opfer des Wahnsinns.

[Update 27 Februar 2018]
Das Thema wurde in Dänemark von verschiedenen Organisationen aufgenommen und erweitert, u.a. um den Nachtzug nach Oslo, den ich auch vorgeschlagen habe. Hoffen wir, dass der Vorschlag auch bei der Politik ankommt! Der Text ist auf dänisch, aber es lohnt sich ein Klick auf den Link „Se de flotte bilag“ und dann zur Karte ganz nach unten scrollen. Mir gefallen vor allem die Linien Stockholm-Brüssel und Stockholm-Berlin!