Die Gäubahn ist eine ca. 150km lange Bahnstrecke im Südwesten Deutschlands, und ein Paradebeispiel für das Versagen der deutschen Verkehrspolitik. Eigentlich sollte man ja denken als direkteste Verbindung von Stuttgart und Zürich sollte diese Strecke etwas politische Zuwendung erhalten. Tatsächlich ist der Zustand eine Tragödie, wie ich nicht nur bei meiner letzten Fahrt vor ein paar Wochen bemerken musste.
- Vorgeschichte, 1946: Bis zum zweiten Weltkrieg erlebt die Gäubahn ihre Blütezeit, so verkehrten hier täglich 3 Zugpaare der Verbindung Berlin – Erfurt – Würzburg – Stuttgart – Zürich – Mailand – Rom. Nach Kriegsende wird eines der zwei Gleise abgebaut und als Reparation nach Frankreich verbracht. Und bis heute hat die Bundesrepublik es nicht fertig gebracht, wieder ein zweites Gleis hier hinzulegen – obwohl Bahndamm, Tunnels und Brücken für ein zweites Gleis vorhanden sind. DIe Folge: Unnötige Wartezeiten auf entgegenkommende Züge und entsprechende Anfälligkeit für die Ausweitung von Verspätungen.
- 1996 vereinbaren Deutschland und die Schweiz im Vertrag von Lugano, die Fahrzeit Stuttgart-Zürch auf 2 Stunden 15 Minuten zu verringern. 2014 sind die Arbeiten im Schweizer Teil eingestellt. Bis heute (Stand 2018) wurden in Deutschland nichteinmal Arbeiten begonnen.
- Im Jahr 2006 werden alle Direktverbindungen nach Italien eingestellt. Die einzige Verbesserung gegenüber 1946: die Strecke wurde für Neigetechnik ertüchtigt, die Fahrzeit liegt bei 2:39 von Stuttgart nach Zürich.
- Im Jahr 2016 fallen die ICE-T mit Neigetechnik aus und werden dauerhaft außer Betrieb genommen. Die DB möchte den Fernverkehr sang- und klanglos einstellen, was aber zum Glück von den Schweizern verhindert wird. Es fahren jetzt Schweizer-IC-Züge ohne Neigetechnik. In Singen muss die Lok vom einem Zugende ans andere rangiert werden. Alles zusammen bedeutet das: jetzt 3:05 Fahrtzeit. Wichtige Anschlüße sind nicht mehr im Fahrplan enthalten. Die Fahrgastzahlen fallen.
- 2017 möchte die DB neue Doppelstock-ICs auf der Strecke in Betrieb nehmen. Die hätten immerhin den Vorteil einen Steuerwagen zu haben, was das Umkoppeln der Lock erspart. Leider vertrödelt aber die DB die Zulassung in der Schweiz. Die Doppelstock-ICs enden also in Singen, man hat 7 Minuten zum Umstieg in einen Schweizer IC. Keine Verbesserung in Sicht.
Jetzt kommt mein aktuelles Erlebnis:
- Im Doppelstock-IC2 fahre ich nach Singen. Bis kurz vor dem Bahnhof Singen geht alles gut. Dann bleiben wir stehen, der Lockführer muss Aussteigen, von Hand einen Bahnübergang schließen. Im Ernst? Wie wäre es mit Unterführungen? Oder wenigstens Bahnübergänge regelmäßig technisch überprüfen? Das habe ich auch zwischen Hamburg und Kopenhagen vielfach gesehen. Im Flugzeug kletter doch der Pilot auch nicht aus dem Fenster um das Fahrwerk von Hand auszuklappen!
- Wir verpassen natürlich den Schweizer-IC um 5 Minuten. Stattdessen fährt ein RE nach Schaffhausen. Dabei handelt es sich um einen völlig überfüllten gammligen Dieseltriebwagen. Warum eigentlich Diesel? Wie kannes sein, dass in Deutschland nur 60% des Netzes elektrifiziert sind, in der Schweiz aber 100%? Sogar in Italien ist mehr elektrifiziert als in Deutschland.
- Der RE hat auch Verspätung, deshalb verpasse ich die S-Bahn von Schaffhausen nach Zürich. Also warte ich in Schaffhausen auf den nächsten IC nach Zürich – 1 Stunde später. Ich hätte also gleich eine Stunde später in Stuttgart abfahren können!
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Meine Fahrzeit liegt nun bei 4:05. Statt den international vereinbarten 2:15!
- Das einzig gute: die grün-schwarze Landesregierung macht Druck. Vielleicht kommen wir bis zum Jahr 2030 wenigstens wieder auf 2:30 Fahrtzeit, wie vor 10 Jahren?